Siegergeschichten des 25. Münchner Kurzgeschichtenwettbewerbs
Jetzt ist also der 25. Münchner Kurzgeschichtenwettbewerb auch schon Geschichte und wer sich wundert, warum wir den 23. letztes Jahr durchgeführt haben und heuer auf den 25. springen: im April/Mai diesen Jahres haben wir im Rahmen des musikalischen Hörgangs eine Ausschreibung ausgerufen mit dem Thema ‘Erweckungserlebnisse aus der Musik’ – als wir dann mit einer Menge von über 600 eingesendeten Geschichten überrollt wurden, haben wir die Ausschreibung als eigenen Wettbewerb gelistet.
Der 25. Wettbewerb als – sagen wir mal – rundes Jubiläum war auch passend für ein Thema zur Zeit. Immerhin haben wir in der Zeitspanne unseres Wettbewerbs gemessen bislang über 20.000 eingesendete Geschichten erhalten, über 7000 verschiedene Beteiligte gezählt, unzählige Debütromane, die aus der Feder beteiligter Autor*innen hervorgegangen sind. Ein guter Zeitpunkt, um sich Gedanken über die Zukunft zu machen. Das Thema entlehnten wir einem Roman von Francois Sagan: ‘In einem Monat, in einem Jahr’. Die Sagan hat den Titel ihres Weltbestsellers für die Liebe genutzt. Ihr Roman zeigt den perspektivelosen Liebesreigen ihrer Mittelschichtsfiguren im Paris der 1950iger Jahre … und so haben wir es den Autor*innen offen gelassen, sich über die Liebe, die Gesellschaft zu äußern in Bezug auf die Zeit, haben aber eher gesellschaftliche Fragestellungen mit auf den Wettbewerbsweg gegeben:
Wo geht es hin mit der Welt, in einem Monat, in einem Jahr, in einem Jahrzehnt? Werden wir uns aus Bequemlichkeit von Algorithmen steuern lassen, akzeptieren wir den stetigen Ausbau des Individualverkehrs, den Verpackungsirrsinn im Supermarkt, die Steuerbefreiung von Flugbenzin, den hemmungslosen Konsum? Kaufen wir weiterhin iPhones, obwohl wir wissen, dass das fragwürdig ist (wo versteuert Apple, woher stammen die Rohstoffe). Markieren die Fridays for Future eine tatsächliche Wende oder stellen sie nur ein mediengeschürtes Strohfeuer dar, an dem sich so schön das Gewissen beruhigen lässt? Sind Musikfestivals mit ihren endlosen Lineups nicht Indikator haltlosen Konsums, heute ein Industriezweig, früher der Aufstand gegen den Status Quo? Ist das Erstarken der Grünen tatsächlich eine Hoffnung oder eine Mogelpackung, weil grünes Denken und Wirtschaftswachstum einfach nicht zusammengehen?
Unsere Jury, bestehend aus Bachmannpreisträgerin Birgit Birnbacher, Prof. Dr. Anna Kathrin Bleuler, Heike Hauf, Münchens Kulturreferent Anton Biebl und Otger Holleschek haben aus knapp 700 Einsendungen eine Endauswahl getroffen, eine Shortlist sowie vier Texte für die Publikumslesung ausgewählt, das Publikum und die Jury haben zusammen 2.000 Euro Preisgelder vergeben. Anbei vier Geschichten der Publikumslesung.
(Die Geschichten aus der Shortlist und der Endauswahl sind auf unserer Literaturapp ‘storyapp’ veröffentlicht – kostenfreier Download über die Homepage www.storyapp.de oder den Appstore)
Erster Platz (Publikumspreis): „#AlsdasPfandverschwand
(von Christin Habermann)
Wir lernten uns am Pfandautomaten kennen, das Mädchen und ich. Vielleicht hätte was draus werden können, aus uns, aber dafür ist es jetzt zu spät und im Nachhinein weiß man es eh immer besser. Zu spät und im Nachhinein, das Motto meiner Generation. Einer Generation, der erst hinterher einfällt, dass sie das Mädchen vom Pfandautomat nach dem Namen hätte fragen sollen. Aber daran sind wir nicht mehr gewöhnt, die Namen das erste was wir lesen, wenn wir einander begegnen, verpixelte Buchstaben auf unseren Smartphone- und Tabletscreens. Selten der Geburtsname, aber was sagt der schon über uns aus, abgesehen von den Hoffnungen, die unsere Eltern hegten und die wir allesamt bitter enttäuschten. Ich hieß jedenfalls überall anders, konnte mich nicht festlegen, das soziale Netz klebt, du kannst leicht in eine Ecke gedrängt, in eine Falle geraten, eingewickelt werden in Widersprüche und Debatten und dann ist die Reputation hin.
Augenblicklich ist die Pfanddebatte hoch im Kurs. Seit die Bundesregierung vergangenen Monat das endgültige Aus für die Pfandflasche erklärt hatte gab mein Handy keine Ruhe mehr, explodierten meine Notifications, schossen die Hashtags aus dem Boden wie die Krokusse in deutschen Vorgärten: Auf #StrandOhnePfand trafst du die Ozeanologen und Fischfanatiker, auf #AbstandzuPfand die gewöhnlichen Grünen und auf #WeilNiemanddasPfandverstand die sarkastischen Literaten in ihren Kreativ-Schreibkursen. #MeinLandMeinPfand war am unterhaltsamsten: Ein Pro-Pfand-Outlet, eine braune Mischung aus Klimaleugnern und besorgten Wutbürgern, die, nachdem die Integration der Flüchtlinge bedauernswert gut funktioniert hat, in der Verdrängung des deutschen Kulturguts Pfand ihren neuen Endgegner gefunden hatten. Dabei war der Umweltschutz eigentlich überhaupt nicht mein Thema, Wutbürger erst recht nicht, aber ich ließ mich gerne bespaßen, berieseln, beschallen und dass ging in diesen virtuellen Schlagabtauschen ganz hervorragend. Deshalb hatte ich mir auch eine Kurzdoku über das Leben der deutschen Pfandflasche gegönnt, die auf #MeinLandMeinPfand gestern aufs Dümmste auseinandergenommen wurde: Alles Lügen! Wenn so viel Plastik im Meer landet, warum ist dann nie welches am Stand in Malle?, Ich lass mir von den Indonesiern nicht mein Pfand wegnehmen!!!; Alles gestellt, kein Delfin frisst Wasserflaschen!
Dabei zeigte das Filmchen nur, dass unsere guten deutschen Einwegflaschen nach dem Einwurf in den Pfandautomaten zu Paletts zerhäckselt, nach Indonesien vertickt und zu neuen Flaschen verarbeitet werden, die dann doch im Pazifik landen, weil die Indonesier es noch nicht so mit Recycling haben. Und die Flasche hat halt ein Delfin gefressen, daher die ganze Aufregung, und ist jämmerlich daran verreckt, Kamerazoom, Nahaufnahme von panisch aufgerissene Augen, ein letztes ersticktes Ikikikik und das Tier sinkt in Zeitlupe in die Tiefe. Wegen mir und meiner Flasche. Oder wegen des Kamerateams. Hätten den Delfin ja durchaus retten können, ihm die Flasche aus dem Schlund ziehen oder sie ihn erst gar nicht schlucken lassen, aber dann hättst du ja keinen Film, nicht? Da geb ich den Spinnern schon recht. Und ist halt reißerisch, wenn der Delfin an meiner Plastikflasche verreckt. Wusste gar nicht, warum mich das so aufregte. Vielleicht weil ich mir hinterher gleich ne neue Pepsi aufmachte, Einweg, und auch gleich noch ein Sixpack kaufen würde, eingeschweißt in Extra-Plastik. Weil ich billig und bequem bin. So wie wir alle.
Ich war so in Gedanken versunken, dass ich nicht mitbekam, wie der Automat zu fiepen begann und nur aus dem Augenwinkel heraus sah, das die Mutti vor mir, die eben noch eine Busladung Pfand an den Automaten verfüttert hatte, sich jetzt hastig den Pfandbon griff und im Supermarkt verschwand.
„Du musst einen Mitarbeiter rufen.“
Ich zuckte zusammen und wandte mich um. Hinter mir stand das Mädchen, Jeans und T-Shirt, kurzes Haar und eine Nickelbrille, die in geschätzt zwei Jahren mein Instagram fluten würde, ihr jetzt aber den Ausdruck einer alternden Spitzmaus verlieh.
„Du musst einen Mitarbeiter rufen“, wiederholte sie und drückte dann selbst den designierten Knopf neben dem Pfandbon-Schlitz.
Ein Mitarbeiter wird gerufen, mokierte mich eine elektronische Stimme.
Ich seufzte verhalten. Jedes beschissene Mal.
Ich zog mein Handy aus der Hosentasche, wohlwissend, dass an diesem Pfandautomaten vorsintflutliche Verhältnisse herrschten und absolut kein Netz zu kriegen war. Trotzdem drückte ich den Refresh-Button als wenn sich plötzlich das Meer teilen und mir 4G zutragen würde. Vergeblich, aber besser als unsinnig im Raum zu stehen und auf den Mitarbeiter zu warten, der, nachdem er sich endlich zu uns bequemt, die Automatentür geöffnet und unmotiviert in die Pfandtüte gelangt hatte, mir anklagend eine halbverdaute Flasche unter die Nase hielt.
„Kein Pfand“, sagte er dann, so als wär ich nicht selbst oft genug an dem Versuch gescheitert, mir mit Pfandbetrug mein Taschengeld aufzubessern.
„Saftflaschen sind kein Pfand!“
„Das war er nicht“, sagte das Mädchen und trat neben mich. „Muss die Kundin davor gewesen sein.“ Aha, deshalb war Mutti also so schnell abgedampft.
Der Mitarbeiter stopfte die Flasche zurück in die Pfandtüte und schloss die Tür des Automaten. „Muss das System neu starten“, nuschelte er dann. „Kann was dauern.“
Ich seufzte erneut und begann, unsinnig auf meinem Handy herumzutippen um zumindest den Anschein zu erwecken, ich wär beschäftigt.
„Ist eh bald vorbei“, sagte das Mädchen und hievte sich ungelenk auf den Sammelcontainer für Altpapier, der neben dem Pfandautomaten stand. „Jetzt wo die Regierung beschlossen hat, die Pfandflasche abzuschaffen. Ich frag mich nur, wem das noch was bringen soll.“
„Den Delfinen?“ Der Kommentar war raus bevor ich ihn geprüft hatte. Bloß, hier konnte ich nichts mehr editieren oder gar löschen. Das Internet vergisst nicht, seine User sind da kurzlebiger.
„Dann schmeißen die Indonesier halt was Anderes ins Meer. Ich fand es ohnehin etwas unfair, dass jetzt alles auf die Indonesier abzuwiegeln, ohne deren wirtschaftliche Situation zu erklären oder die Tatsache, dass auch andere Nationen nicht ganz unschuldig an der Sache sind.“
Ich war bei Indonesiern hängen geblieben.
„#StrandohnePfand?“, fragte ich deshalb.
„Wie bitte?“
„#AbstandzuPfand?“
„Mmh?“
„#WeilNiemanddasPfandverstand?“ Immerhin, sie trug eine Nickelbrille und hockte auf einem Altpapiercontainer.
„Was?“
„Twitter, Instagram, du weißt schon…“
„Ich hab eine Doku auf ARTE gesehen.“
„ARTE?“
„ARTE… Du weißt schon.“ Sie sah mich belustigt an. „Deutsch-französischer Fernsehsender, kulturell recht wertvoll.“
„Ich weiß was ARTE ist“, verteidigte ich mich. Ich hatte bloß selten jemanden ARTE als kulturell-wertvoll deklarieren hören, der nicht bereits Ü-50 war.
„Beruhigend.“ Sie lachte jetzt und dabei wackelte ihre Nase wie die meines Hasen Benni, den ich hatte, als ich sechs war. Und wie bei Benni war es mir unerklärlicherweise wichtig, dass sie mich mochte.
„Ich hatte mal SchülerVZ“.
Jetzt war es an mir zu lachen. Schließlich hatten wir alle mal SchülerVZ.
„Ich war auch in echt vielen Gruppen.“ Sie verarschte mich, das war mir klar. Aber niemand verarschte einander mehr, nicht auf diese subtile, leichte, persönliche Art. Es gab entweder trockene, distanzierte Ironie, demütigenden Hohn oder das klassische Fuck You. Dazwischen fehlt etwas, was mir nie aufgefallen war, bevor sie begann, sich über unsere SchülerVZ-Gruppen lustig zu machen.
„Zum Beispiel Na, war wieder Schminke in der Wendy? Oder Was passiert, wenn ich hier draufdrü – oh, kaputt.“
„Wer ist eigentlich dieser Lan und warum macht der so viel Party?“
„Bitte nicht schubsen, ich hab Joghurt im Rucksack“
„Ich hab gehört über deinem Niveau ist ne Kellerwohnung frei.“
„Beziehungsstatus: Ich geh mit meiner Laterne“
„Ich kann nicht im Sitzen pinkeln – Mein Penis hängt ins Wasser.“
Sie lachte und ich hätte mich augenblicklich ohrfeigen können, aber das ist das Problem bei face-to-face Konversationen. Was raus ist ist raus.
„Sorry…“, nuschelte ich aber sie zuckte bloß die Schultern.
„Ob es die Seite noch gibt?“
„Ich würde googeln, aber hier ist kein Netz.“
„Ich weiß.“ Etwas an der Art, wie sie das sagte, ließ mich aufhorchen.
„Ätzend, nicht?“, fragte ich deshalb.
„Mich stört’s nicht.“
„Du hast auch kein Twit –“, setzte ich an um flächendeckendes Internet zu verteidigen, doch sie unterbrach mich.
„Ich find’s traurig.“
„Twitter?“
„Auch. Aber ich meinte die Abschaffung der Pfandflasche.“
Ich versuchte sie einem Lager, einer Gruppierung zuzuordnen, damit ich mich ihrem Sentiment anpassen konnte, ganz so, wie ich das online betrieb, aber das gestaltete sich schwierig: Sie war gegen die Abschaffung des Pfands, somit schieden die grünen Outlets allesamt aus, sie wies keinerlei rechte Züge auf und trotz einer kulturell-wertvollen Handhabe kannte sie sich auf SchülerVZ aus, was die elitären Pfeifen von #WeilniemanddasPfandverstand niemals zugeben würden.
„Was ist denn daran traurig, wenn wir auf Plastik verzichten?“, fragte ich deshalb vorsichtig. Ein paar mehr Informationen sollten mir helfen, sie einordnen zu können.
„Plastikflaschen“, korrigierte sie mich. „Und dann auch nur das, worauf es bisher Pfand gab, Cola, Limonade, Wasser, Bier. Das rettet den Planeten auch nicht mehr.“
Aha, dachte ich. Also eine Guerilla-Grüne, der ein Tropfen auf den heißen Stein nicht genügte.
„Außerdem mag ich Pfandautomaten.“
Ich erwartete, dass sie grinste, aber sie blieb ernst. Jetzt war ich vollends verwirrt, hatte noch nie jemanden getroffen, virtuell versteht sich, dessen Plädoyer sich weniger auf das Pfand als auf den Automaten richtete.
„Was gibt’s denn an Pfandautomaten bitte zu mögen?“, fragte ich deshalb. Der penetrante Geruch nach altem Bier und dem obligatorischen ungewaschenen Obdachlosen? Der klebrige Boden und die noch klebrigere Einlegröhre? Die Kunden, die permanent ihre Flachen falsch herum oder zu rasch hintereinander einlegten und damit den ganzen Betrieb aufhielten? Das ätzende Warten weil Freitagabend die halbe Stadt ihre Flaschen loswerden will oder weil der Automat mal wieder im Eimer ist?
„Es hat was Gemeinschaftliches.“
„Häh?“ Ich überlegte, wann ich das letzte Mal so viele Fragen gestellt hatte, laut, an eine bestimmte Person gerichtet, ohne im Stillen die Antwort gegoogelt zu haben. Und ich überlegte, wann ich das letzte Mal tatsächlich an einer Antwort interessiert gewesen war.
„Ganz einfach“, sagte sie, zog ein Knie an den Oberkörper und betete ihr Kinn darauf. „Nenn mir einen anderen Ort, an dem alle Menschen, egal zu welcher sozialen Schicht sie gehören, genau gleich sind.“
„Friedhof?“
Sie überging meinen Einwurf geflissentlich. „Wo alle gleichermaßen Schlange stehen müssen und für dieselbe Flasche denselben Betrag erhalten.“
„Bordell?“
Sie seufzte ungehalten. Ich nahm mich ja selbst auch nicht für voll, aber ich war darauf gepolt ungefragt Kommentare von mir zu geben, davon lebte unsere Konversation dieser Tage. Zumindest online. Offline klang ich wirklich selten dämlich.
„Sorry“, murmelte ich deswegen. Und weil ihre Nase mich an die von Benni erinnerte meinte ich es auch so. „Auf Twitter kling ich witziger.“
„Hab ich aber nicht.“
„Könntest es dir ja zulegen…“
„Wozu? Wir reden doch auch so.“ Sie hob die Hand und unterband damit jeden dümmlichen Kommentar meinerseits. „Und weder Friedhof noch Bordell sind besonders für ihre Konversationen bekannt.“
„Aber Pfandautomaten?“, fragte ich, ehe mir klar wurde, dass sie Recht hatte, dass wir bestimmt schon seit fünfzehn Minuten miteinander redeten, lachten, von Angesicht zu Angesicht. Und ich wollte plötzlich mehr wissen, welche Dokus sie noch auf ARTE anschaute, ob wir uns vielleicht schon mal in einer Schüler-VZ Gruppe begegnet waren, ob auch ich sie an ein verstorbenes Haustier erinnerte, ob sie überhaupt je ein Haustier gehabt hatte.
„Hattest du je ein -“, setzte ich an aber in diesem Moment begann der Pfandautomat sein gewöhnliches Rattern.
„Ich … ich glaub der Automat geht jetzt wieder“, sagte ich.
„Mmh.“
Ich hob meinen Pfandbeutel auf, in meinem Kopf noch dieses diesige Gefühl, wenn du nach einem Mittagsschlaf hochschreckst, eben noch ein Traum und dann zurück in die Realität. Ich legte meine Pfandflaschen ein, plötzlich hektisch aber bemüht abzuwarten, bis der Knopf von rot auf grün wechselte und das Rotieren der Flasche, das Knirschen, wenn sie zerquetscht wurde, hallte lauter als gewöhnlich. Ich schüttelte den Kopf, brauchte ganz dringend eine kalte Dusche und eine ordentliche Dosis vorhersehbare, geordnete, algorithmische Online-Diskussionen.
„Dein Bon ist fertig“, sagte sie. Dann langte sie erneut an mir vorbei, löste meinen Bon vom Automatenschlitz und hielt ihn mir entgegen. Ich hatte nicht einmal mitbekommen, dass sie ihren Platz auf dem Altpapiercontainer verlassen hatte.
„Danke…“
Sie nickte, stand so nah vor mir, Nickelbrille und Erwartung.
Ich trat einen Schritt zurück, steckte den Bon in mein Portmonee, faltete den Beutel besonders sorgfältig, wollte geschäftig wirken und meine plötzliche Nervosität verstehen. Meine Hände waren feucht, irgendwo in meiner Magengegend machten sich die Nudeln von heute Nachmittag bemerkbar und mein Herzschlag übertönte das Rattern des Pfandautomaten.
„Du solltest dir das überlegen… mit Twitter und so. Weil… ich glaub deine Meinung zum Pfand ist interessant und … noch nicht vertreten. Du könntest … ich weiß nicht … #AlsdasPfandverschwand starten, oder so…“
„#AlsdasPfandverschwand…“, sie schien für einen Moment nachzudenken. „Vielleicht.“
„Also dann…“ Ich winkte lasch und verließ den Pfandautomaten, verließ den Supermarkt, verließ die einzige Person, die ich nicht einordnen und kategorisieren, die ich nicht verstehen konnte.
Ich bin nochmal zurück zu Netto, drei Wochen später, aber da war der Pfandautomat bereits demontiert und es gab flächendeckendes Netz in dem Raum, in dem noch immer der Altpapiercontainer steht aber neuerdings Topfpflanzen feilgeboten werden. Ich hatte mittlerweile verstanden, dass sie uns einsam und unglücklich dachte, dass ihr elitäres Sentiment das von #WeilNiemanddasPfandverstand übertraf, dass sie glaubte uns fehle der Zugang zu dem, was „echt“ ist, dass sie sich nach etwas sehnte, dass ich ihr niemals hätte geben können und dass ihr vielleicht niemand mehr geben kann, dass sie einsam und unglücklich war, und dass sie deshalb an einem Pfandautomaten gewartete hatte, ohne selbst Pfand dabeizuhaben. Und trotzdem ertappte ich mich dabei, wie ich das Internet nach #AlsdasPfandverschwand durchsuchte.
Wir lernten uns jedenfalls am Pfandautomaten kennen, das Mädchen und ich. Vielleicht hätte was draus werden können, aber dann ist das Pfand verschwunden und dann war’s zu spät, mal wieder. Und eigentlich lernte sie ja auch mich kennen, schließlich hatte ich unlängst das Kennenlernen verlernt. So wie wir alle.
Zweiter Platz (Publikumspreis) und Jurypreis: „Leni sieht das Meer
Leni war eine Wolke aus Leder und Zimt und wenn sie lachte, konnte man ihren schiefen Eckzahn zwischen dem Rot ihrer schmalen Lippen blitzen sehen. Ihre Haare waren schwarz und glatt wie ein Blatt Papier, und morgens wachte ich oft vom Geruch versengter Haare auf, wenn Leni im Pyjama vor dem blinden Badezimmerspiegel stand und Haarsträhnen für Haarsträhne durch das heiße Glätteisen zog.
In Momenten flüchtigen Vergessens, in denen wieder ein gewisses Gefühl von Lebendigkeit in mir entsteht, meine ich noch immer den Geruch verbrannter Haare zu riechen und Leni auf unserem grünen Cordsofa sitzen zu sehen, eine dampfende Tasse Gewürztee in den schmalen Händen, die Knie angezogen. Ich sehe ihren kleinen, kantigen Körper, ihren Rücken, kerzengerade, umhüllt von ihrem knöchellangen Ledermantel, den sie überall trug wie eine zweite, schützende Haut, und den sie nie ablegen wollte, selbst zuhause nicht, als ob sie geahnt hatte, dass sie sich ein dickes Fell würde zulegen müssen. In diesen Momenten sitzt Leni dann einfach nur da und schaut mich an, als wäre nichts geschehen. Ich kann sogar ihre falschen Wimpern erkennen, die sie sich mit einer Pinzette zwischen den verbliebenen Rest aus spinnwebfeinen Härchen geklebt hatte.
Ich stehe im Türrahmen, die Realität hat einen Knick, sogar Dampf steigt aus der Teetasse auf; ich gehe ins Wohnzimmer, strecke meine Hand nach ihr aus und Leni ist so real, dass sie erst verblasst, als meine Fingerspitzen ihre weiche Haut berühren.
Manchmal habe ich Angst davor, ihren Geruch zu verlieren.
Ich musste an Ben Kingsley denken, als ich seine Stimme hörte. An Mahatma Gandhi mit seiner Nickelbrille und ich war irritiert, dass der Arzt keinen weißen Kittel, sondern einfach nur Jeans und T-Shirt trug. Er saß hinter seinem Schreibtisch, die altersbefleckten Hände gefaltet, während Leni und ich in gepolsterten Korbstühlen versanken. Hinter dem Arzt war ein Fenster, freundlich und hell, und hinter dem Fenster der Frühling, blühende Kastanienbäume, weiße Wolkenfetzen am Himmel, dass wir uns sicher und unverwundbar fühlten. Wir waren jung, das ganze Leben lag noch vor uns, es war ein Strom ohne Ende, es konnte nichts Schlimmes sein. Ben Kingsley sah das anders. Wir verstanden nur Fetzen, seine Worte prallten an uns ab, ergaben keinen Sinn, und je mehr er sagte, desto weiter wich die Welt vor uns zurück. Ich spürte Lenis feuchte Hand in meiner, mein Kopf fühlte sich fiebrig an. Der Arzt erklärte uns, was nun zu tun, was noch zu erwarten sei, dann entließ er uns mit einem freundlichen Blick, ein schales es tut mir leid auf den Lippen, und wir irrten durch die sonnenbetupfte Stadt mit all dem frischen Grün, dem fröhlichen Stimmengewirr, mit all dem Flirren und dem Leben, dass mir schlecht wurde und ich mich an der nächsten Straßenecke auf den trockenen Asphalt erbrach.
Abends klammerte sich Leni plötzlich an mich. Leni, die nie um ein Wort verlegen, nie unsicher, nie mutlos war. Leni, die pausenlos Zimtkaugummis kaute, Twixx zum Frühstück aß, Leni, die ihre Füße auf die Sitzpolster im Zug legte und den kopfschüttelnden Damen mit den ondulierten Haaren dabei auch noch frech ins Gesicht lachte und ihnen ihren weißen Eckzahn zeigte. Leni, die aus unserer feuchten Schlafzimmertapete die Umrisse des Pazifischen Ozeans pulte, weil sie uns das Meer nach Hause holen wollte; diese Leni hielt sich an mir fest wie sich ein kleines Kind festhält, mit ängstlichen Augen, die schwarzen Lidstriche verwischt.
„Was bin ich ohne meine Haare?“
Der Arzt hatte ihr eine Kurzhaarfrisur empfohlen. Der Verlust kurzer Haare sei leichter zu verkraften, hieß es, aber Leni weigerte sich, ihre Haare abzuschneiden. Selbst als ihre Kopfhaut wächsern und eierschalenfarben durch den löchrigen Flaum hindurchzuschimmern begann und sie kaum noch Kraft hatte, das Glätteisen in der Hand zu halten, stand sie jeden Morgen wie immer im Bad.
Wir hatten uns früher oft einen Spaß aus dem Badezimmerspiegel gemacht, in dem man nur Teile von sich selbst erkennen kann. Nase ohne Augen. Augen ohne Nase. Nase ohne Mund. Selbstverständlich hätten wir auch einfach einen neuen Spiegel kaufen können, aber wir mochten es, uns jeden Morgen erneut zusammenzusetzen, immer und immer wieder. Uns gefielen die trüben Flecken, die grauen Ränder, die Teile eines Ganzen, und als am Ende nichts mehr von Leni übriggeblieben war, nur eine Hülle aus zerbrechlichem Glas, bebend vor Angst und Wut, die mit letzter Kraft zu glätten versuchte, was noch zu glätten war, dass es mir die Tränen in die Augen trieb, da war ich froh und erleichtert darüber, dass wir nie auf die Idee gekommen waren, den Spiegel auszutauschen.
Es gab nichts, das ich hätte sagen, nichts, das ich hätte tun können. Ich entfernte heimlich die Haare von den Badezimmerfliesen, erst einzeln, dann in kleinen Büscheln, sammelte sie in einer Brotdose, später kaufte ich eine kleine Holzschatulle mit Messingscharnieren, weil mir dieser Aufbewahrungsort würdiger erschien. Die Schatulle versteckte ich vor Leni unter dem Garderobenschrank, ganz hinten an der Wand, und dort liegt sie noch immer, ich habe bisher nicht den Mut aufgebracht, sie hervorzuholen.
Den Spiegel habe ich zugehängt, das Glätteisen in die Tonne geworfen.
Peter Matić, Ben Kingsleys Synchronsprecher, ist vier Wochen nach Leni gestorben. Er wird nie wieder Ben Kingsleys Stimme synchronisieren. Leni wird nie wieder ihre Füße auf eine Sitzbank legen. Sie wird nicht mehr ihre Zimtkaugummis auf die Fensterbank in der Küche kleben, weil sie zu faul ist, den Weg zum Mülleimer zurückzulegen. Sie wird mich nie wieder mit ihren blauen Augen ansehen, und sich nachts auch nie wieder in meinen Armen verkriechen. Sie wird kein Chaos mehr in der Wohnung verbreiten, aber sie hat mir ihr Chaos zurückgelassen: Kleidungsstücke über der Heizung, Socken unter dem Sofa, überall sehe ich Lenis Sachen, in der ganzen Wohnung verstreut, als wäre sie nur mal kurz raus und gleich wieder zurück. Ich habe nichts weggeräumt. Alles ist so, als wäre sie noch da. Früher war ich von Lenis Unordnung genervt. Ich sammelte auf, räumte weg, sortierte, wurde sauer. Leni warf mir vor, pedantisch und ordnungsfanatisch zu sein. Das, was mich an Leni immer so ärgerlich machte, ist das, was ich jetzt am meisten vermisse.
Ich habe meinen Orientierungssinn verloren, dafür aber heute ein zerkautes Zimtkaugummi unter der Tischplatte gefunden. Seit Wochen laufe ich die Wege ab, die wir gemeinsam gegangen sind, ich finde mich an neuen Orten nicht zurecht. Nachts kann ich kaum schlafen, ich laufe rastlos durch die Wohnung, Musik an, Musik aus, Fernseher an, Fernseher aus; die Bilder sind zu grell, der Ton zu laut. Leni lässt mich nicht schlafen, sie steckt in jedem Spalt, in jeder Diele, ich rieche sie noch überall, aber immer schwächer.
Wenn ich schlafe, schlafe ich unruhig, meine Träume sind zerrissen, ich schrecke hoch, die Zeit verschwimmt vor meinen Augen, die Straßen sind grau, die Wolken erscheinen mir dunkler als sonst. Ich setze einen Fuß vor den anderen, gehe Schritt für Schritt vorwärts, obwohl ich rückwärtslaufen will. Das Gefühl von Fremdheit lässt sich nicht abschütteln, es duckt sich tief in den Schatten meines Brustkorbs, lauert.
Oft finde ich mich im Wohnzimmer wieder, kniend, in Shorts, vor mir der Ledermantel, der seit Wochen wie eine abgestreifte Haut auf dem Dielenboden liegt. Ich bücke mich, ob Tag ist oder Nacht, ich kann es nicht genau sagen, ich berühre das kühle Leder, fahre mit den Fingern über die Falten, stecke meine Hände in die Manteltaschen, betaste das Innenfutter und neige den Kopf so tief hinunter, dass ich den Geruch von Leder wahrnehme und Leni den Raum zu füllen beginnt.
Eigentlich haben wir nicht wirklich zusammengepasst, aber wir haben uns trotzdem sehr gemocht. Ich war die Spaßbremse im Norwegerpulli, Leni ein Feuerfunke in Lederkluft. Vielleicht war das unser Beziehungsrezept. Vielleicht war es das, was uns ausmachte. Leni shoppte Schuhe in Billigläden, während ich im Kunststoffdunst den Abrieb der Plastiksohlen zu berechnen versuchte, der am Ende wahrscheinlich genauso wie vieles andere auch seinen Weg in die Weltmeere finden würde.
Leni war alles egal, mir nichts. Ich mochte es geordnet, ich sah das Ziel. Mit allem Ungefähren kam ich nicht klar. Ich weiß nicht mehr, ob und was davon jetzt noch auf mich zutrifft, ob überhaupt noch etwas auf mich zutrifft, ich habe das Ziel schon längst aus den Augen verloren, es hat sich so vieles verändert in letzter Zeit.
Leni hingegen war ein Widerspruch auf Plateauschuhen, sie wusste nie, was sie will, aber sie wollte alles, hier und jetzt und am besten sofort. Sie tanzte die Nächte durch, warf ihre Arme ins Stroboskoplicht, versank in dichten Nebelschwaden, sie lachte viel, während ich am Rand der Tanzfläche stand, an meinem Bier nippte und wartete, bis sie endlich müde wurde, bis sie sich aus der schwitzenden Menge löste, um fröhlich nach meiner Hand zu greifen und mit mir zurück nach Hause zu gehen.
Am nächsten Morgen weckte sie mich früh, es war dunkel und still, die Lichter der Stadt noch ausgeknipst. Lenis Haare kitzelten meinen Nacken, ihr Atem streifte mein Gesicht. Sie roch nach Zigarettenrauch und Bier, dann legte sie eine Hand auf meine Schulter und ich weiß noch, dass ich mich darüber wunderte, wie trocken und rau sich ihre Haut anfühlte, wie leblos im Vergleich zu sonst.
„Lass uns ans Meer fahren, ich will schwimmen…“, flüsterte sie in mein Ohr.
„Red´ keinen Quatsch…! Was soll ich am Meer, ich will schlafen, nicht schwimmen…“, antwortete ich müde, zog mir die Decke über den Kopf, schlief weiter.
Das Meer, das ich kenne, ist meistens nicht da, es ist nur ein silbriger Glanz am Horizont, eine Ahnung, mehr nicht. Sonst viel Watt und Schlick überall, kalter Wind, braunes Wasser in den Prielen, es stinkt nach Algen und Fisch, alles voller Müll und Fliegen, alles tot.
„Du warst am falschen Meer“, sagte Leni einmal zu mir, „komm mit und ich zeig dir das richtige…“
Hätte ich da etwas geahnt…
Hätte ich es da gewusst…
Am richtigen Meer sind wir nicht mehr gewesen. Ich, der Langweiler im Norwegerpulli habe es versaut. Leni hat ihre letzten Urlaubstage zusammen mit mir auf der Streuobstwiese im Garten meiner Eltern verbracht. Es war keine schlechte Zeit, aber es war eben auch nicht das Meer. Die Sonne schien, meistens, wir saßen auf einer Decke, aßen selbstgebackenen Kuchen, tranken Kaffee und Wein. Abends zündeten wir Fackeln an, hörten Musik, Myriaden von Mücken kamen angeflogen und umschwirrten uns, dass wir irgendwann in mein altes Zimmer flüchteten und uns unter der Decke verkrochen.
Und dort war es dann auch, im Garten meiner Eltern, an unserem letzten Tag, als ganz plötzlich die Sache mit den Schmerzen begann.
Ich weiß, es macht keinen Unterschied, aber manchmal verfange ich mich im Netz meiner eigenen Gedanken, manchmal frage ich mich, was passiert wäre, wenn wir nicht zu meinen Eltern gefahren wären, sondern ans Meer. Ich frage mich, was passiert wäre, wenn wir eine andere Abzweigung genommen hätten, wenn wir uns nicht begegnet wären. Wie viele Zukünfte sind denkbar? Welche wäre die beste für uns gewesen, und in welcher würde Leni heute vielleicht noch leben?
Ich packe meinen Rucksack, nicht viel, nur ein paar Sachen, ein T-Shirt, Unterwäsche, Zahnbürste, ich bleibe ja nicht lange weg. Es mag kitschig klingen und vielleicht auch dumm, aber ich werde Lenis Haare dem Meer übergeben, ich finde, das bin ich ihr schuldig. Es ist doch so: Kein Mensch weiß, was nach dem Tod passiert, alles nur Mutmaßungen, nur Spekulation. Nichts ist unmöglich. Vielleicht ist Leni ja irgendwo da draußen, in den Wellen oder am Strand, vielleicht sieht sie aufs Meer, vielleicht auch nicht, wer kann das schon wissen…
Ich habe die Schatulle unter der Garderobe hervorgezogen und mir ein Zugticket gekauft. Jetzt stehe ich inmitten von Touristen auf dem Bahnsteig, höre Durchsagen, Gelächter, das Rollen von Koffern, überall ist es voll und laut und ich fühle mich wie auf einer Reise ins Nirgendwo.
Acht Stunden Welt ziehen an mir vorüber: Berge, bucklige Häuser, Gärten, Felder. Ich fahre über Brücken, unter mir ein Fluss, ein See, Rehe auf grünen Wiesen, Bahnhöfe. Dann wird die Landschaft steiniger, karger. Menschen steigen aus, andere steigen ein. Auf dem Sitz neben mir hat jemand seine Zeitschrift liegengelassen. Ich blättere sie durch, schlage eine Seite mit einem Artikel auf, in dem es um ein Hospiz in Norddeutschland geht, das Menschen ihren letzten Wunsch erfüllt: Ein letztes Mal ein Eis in der Sonne essen. Ein letztes Mal den geliebten Hund sehen. Sich mit den Kindern aussöhnen, bevor es zu spät ist. Ein letztes Mal im Meer schwimmen, ergänze ich still.
Ganz oben links steht ein Zitat aus einem Cartoon der Peanuts.
Charly Brown sagt: „Eines Tages werden wir alle sterben.“
„Ja“, antwortet Snoopy, „aber an allen anderen Tagen nicht.“
Was meine Zukunft ist? Meine Zukunft sind Lenis Haare im Ozean. Meine Zukunft sind Lenis Haare, bevor ihre Kopfhaut wächsern und eierschalenfarben durchzuschimmern begann. Sie ist das richtige Meer, das ich noch nie gesehen habe, aber bald sehen werde. Lenis Arme im Stroboskoplicht sind meine Zukunft, unsere dunkle Wohnung im Hinterhof, das Knacken der Heizung im Winter. Die Bruchstücke eines Spiegels, aus denen wir zusammengesetzt sind. Lenis Chaos, das ich nicht beseitigen will. Vor allem aber ist meine Zukunft der Geruch nach Leder und Zimt.
Und das ist alles, was ich weiß.
Dritter Platz (Publikumspreis): „#Satellitenfehler
Am Nachthimmel sieht es so aus, als würde ein Stern blinken und es ist kein Flugzeug, denn es bewegt sich kaum. „Ein Satellitenfehler“, sage ich und du lachst mich aus, weil es so unwissenschaftlich klingt. Und irgendwie sind wir das auch. Ein Satellitenfehler. Wir sind voneinander angezogen, aber eigentlich völlig inkompatibel und wissen das. Trotzdem berühren sich unsere Umlaufbahnen wieder und wieder. Auch wenn die Ellipsen von Mal zu Mal länger werden.
Unser erstes Treffen wäre fast gar nicht passiert. Ich bin vorher wandern gewesen und konnte dir erst kurzfristig sagen, wann genau ich wieder zurück bin, daraufhin hast du die vereinbarte Zeit immer weiter nach hinten geschoben. So habe ich eine Stunde Leerlauf gehabt und hätte dir fast abgesagt, habe mir dann aber ein Buch aus der Bibliothek geholt und im Café gewartet. Du hast durchdringend blaue Augen und zwischendurch stockt unser Gespräch immer wieder. Aber dann gehen wir nach einem Eistee doch noch woanders hin. Wir testen uns die ganze Zeit gegenseitig, aber geben das nicht zu. Um elf sitzen wir noch immer in der kleinen französischen Weinbar. Ich habe seit Stunden nichts gegessen und nach ein paar Schlucken Rotwein wird mir so schlecht, dass ich mich in das Holz der Eckbank kralle. „Du siehst aus, als würdest du dich extrem unwohl fühlen“, sagst du und glaubst es liegt an dir. Als ich auf die Toilette gehe, übergebe ich mich. Dann spüle ich mir den Mund aus, lasse kaltes Wasser über meine Handgelenke laufen und gehe zu dir zurück. Draußen ist es schon dunkel, als der Kellner kommt und uns eine Kerze auf den Tisch stellt: „Ein bisschen Romantik“, sagt er. Und du sagst: „Gut, das brauchen wir.“ Irgendwann legst du deinen Arm um meine Schultern und sagst: „Ich nehme jetzt awkward deine Hand.“ Kurz darauf küsst du mich, was mir in der vollen Bar etwas unangenehm ist, aber ich mag, wie du dich anfühlst. „Du küsst gut“, sagst du und ich mag, wie du meinen Namen aussprichst. Als wir aus der Bar gehen, ist es schon ein Uhr und ich will heute noch nicht mit dir schlafen. Ich will nicht, dass du mir jetzt schon so nahekommst und es dir außerdem nicht zu leicht machen. Dass ich so denke, stört mich selbst. Wir stehen vor meinem Fahrrad. Küssen uns nochmal, diesmal länger und enger. „Ich will mit dir sein“, sagst du. Du nimmst meine Hand und legst sie auf deinen steifen Schwanz und bei anderen Männern würde mich das stören, aber mit dir ist es okay. Als ich danach nachhause fahre, muss ich immer wieder lächeln.
Bei unserem zweiten Treffen landen wir am Fluss, ich trinke Bier und du Himbeerbrause. Wir haben ein anstrengendes Gespräch, es geht um unsere früheren Beziehungen und die Beliebigkeit von Menschen. Ich frage dich nach anderen Frauen, die du triffst. „Ist doch egal, jetzt bin ich ja hier“, sagst du. Ich mag nicht, dass du mir ausweichst, aber frage auch nicht weiter nach. Eine Zeitlang sitzen wir schweigend nebeneinander. Irgendwann beuge ich mich zu dir rüber und küsse dich.
„Gehen wir zu dir, oder?“, fragst du, als es schon dunkel ist und der Fluss die Lichter der Stadt langzieht. Ich will das auch, ich habe noch nie mit jemand so Fremdem geschlafen. Mit dir ist es einfach, im Moment sein ist einfach, mich von dir hochziehen zu lassen auch. Und wir gehen Hand in Hand die Straße am Fluss entlang, unter einer Laterne spielt eine Gruppe von Jugendlichen Karten.
In dieser ersten Nacht, in der du bei mir schläfst, bitte ich dich, mir etwas auf Russisch zu erzählen. Deine Stimme wird weicher, wenn du Russisch sprichst. Du erzählst mir eine Gutenachtgeschichte von Baba Yaga, die in einem Haus wohnt, das auf Hühnerbeinen steht und aus Kindern Suppe kocht.
Ich wache auf und kann nichts mehr sehen. Meine Augen sind verklebt und eitrig. Beidseitige Bindehautentzündung. Es ist irrational, aber ich werde das Gefühl nicht los, dass du mich krank gemacht hast.
Eine Woche später, meine Augen sind noch immer restrot, frage ich dich, ob du mit mir Erdbeerfelder plündern willst. Für einen Junitag ist es kühl, wir trinken Tee in einem Café, das innen ganz mit dunklem Holz ausgekleidet ist. Du hast Pilze mit, die du mit Bitcoins im Internet gekauft hast, legst sie in einer Plastiktüte vor uns auf den Tisch und wir landen mit ihnen wieder am Fluss. Dunst steigt vom Wasser auf und vermischt sich mit Abendluft. Ich kriege schon vom Geruch der Pilze Brechreiz und krieg sie nur unzerkaut mit Wasser runter. Wir spüren beide nicht viel, vielleicht etwas mehr Leichtigkeit im Kopf. Als wir mit den Rädern zu mir fahren, ist es schon dunkel. Wir gehen dann zu Fuß zu den Erdbeerfeldern in der Nähe. Ich mag, dass du Katzen magst und wir für jede herumstreunernde stehenbleiben, damit du sie streicheln kannst. Ich mag nicht, dass du ihnen nachläufst, auch wenn sie vor dir Angst haben und sie festhältst, wenn sie sich winden. Mit den Taschenlampen unsrer Handys tasten wir uns durch die dunklen Erdbeerfelder, der Saft der Früchte verklebt uns die Finger.
Dann in meinem Zimmer ziehst du mich aus. „Ich mag alles an deinem Körper“, sagst du. „Jede Stelle.“ Du tust mir gut, nimmst mir manche Komplexe, aber verstärkst andere. Ich will mich nicht durch deine Augen schön finden. Ich will diese Bestätigung durch dich nicht wollen. „Du bist doch hierfür gemacht“, sagst du, als du in mich eindringst. Beim Sex hältst du mir anfangs immer die Hände fest. Wenn ich dann oben bin, entspannst du dich und gibst dich meinem Rhythmus hin. Mein Bett ist zu warm, wir liegen Schulter an Schulter auf dem Teppich. Du erzählst von deinem Start-up, deiner Mutter, deiner Ex-Freundin. „Lass deinen Müll woanders“, sage ich, was ausgesprochen viel zu hart klingt. Danach bist du abweisend, drehst dich mit dem Rücken zu mir. Spätnachts wecken wir uns auf, weil wir uns beide im Schlaf wälzen. Ich dränge mich an dich und du drehst dich mit einer Restaggression auf mich und ziehst mir mein Nachthemd aus. Am Morgen rangeln wir, du bist viel stärker als ich, aber ich umklammere dich mit meinen Beinen. Erst als du dich befreit hast und so auf mir sitzt, dass ich mich nicht mehr bewegen kann, ist unser Kampf zu Ende. Danach liegen wir verschwitzt nebeneinander und erzählen uns von unserer Kindheit.
Du hast mir ein Buch von dir mitgebracht, das du kurz bevor du gehst, beiläufig aus deiner Tasche ziehst. Ich will die Geste erwidern und dir erst eines meiner Lieblingsbücher leihen, überlege es mir dann aber noch mal anders und leihe dir ein Taschenbuch von Hesse. Ein non-commitment Buch. Dein Buch lese ich absichtlich nicht, solange ich es noch habe, habe ich auch noch einen Teil von dir. Und wir sind noch nicht aus.
Immer wieder verschwindest du für mehrere Wochen. Ich stelle mir vor, wie du als Dreizehnjähriger deiner Mutter die Arme festhältst, damit sie sich nicht schlägt, damit sie dich nicht schlägt.
Einmal erzählst du, wie sie dich aus Wut so fest gebissen hat, dass du geblutet hast. Wenn du davon sprichst, lachst du dabei: „Meine Mutter ist völlig durchgeknallt.“
Aber als ich nachfrage, verstummst du.
Deine Eltern sind jung zusammen aus Russland gekommen und haben sich nach ein paar Monaten in Deutschland getrennt. Beide haben jetzt Kinder mit anderen Partnern. Für deinen kleinen Bruder bist du ein Halbgott. Du zeigst mir ein Video, in dem du ihn mit Schokoladeneis fütterst. Du fragst ihn auf Russisch, ob er dich oder deine Mutter mehr liebt. Sein Mund ist schokoladenverschmiert und bevor ihm das Eis aufs T-Shirt tropft, fängst du es mit deinem Zeigefinger auf und leckst den Finger dann ab. Du erzählst mir, dass du ihn vor ein paar Tagen, als du was bei euch im Keller gesucht hast, kurz ins dunkle Kellerabteil geschubst hast und die Tür von außen verriegelt. Er hat geschrien und geweint und war panisch vor Angst. Aber danach hing er noch mehr an dir als vorher, als du ihm gesagt hast, dass ihn diese Erfahrung mutiger macht und du stolz auf ihn bist. Mich erinnert das an was, das ich mal über Native Americans gelesen habe, die um Wildpferde zu zähmen, manchmal eines von der Herde trennen, in tiefes Wasser treiben, bis es panisch wird und sich nicht mehr selbst befreien kann. Dann schwimmt einer zum Pferd, lotst es aus dem Wasser und die Bindung hält ein Leben lang.
Ein paar Tage nach unserem Treffen werde ich wieder krank, liege fast eine Woche nur im Bett, völlig entkräftet. Nachts habe ich Fieberträume, in denen mein Körper so anschwillt, dass ich mich selbst gar nicht mehr spüre, jedes Gefühl für Räumlichkeit verliere. Tagsüber versuche ich mit Schmerzmitteln dieses Brennen im Rachen zu betäuben, jedes Schlucken tut weh.
Wir haben einen Monat lang nichts voneinander gehört, dann meldest du dich wieder, du hast Tickets für ein ausverkauftes Festival besorgt, auf dem eine Band spielt, die wir beide mögen. „Ich nehms Dir übrigens nicht übel, wenn du vor Mittwoch absagst!“, schreibst du.
„Wieso sollte ich absagen?“, antworte ich.
„Es ist meine durch Lebenserfahrung untermauerte, feste Überzeugung, dass alle Leute unzuverlässig, inkompetent und unsexy sind, außer natürlich mir“, schreibst du mit einem Einhorn-Emoji.
„Traurige Bilanz. Mal sehen was ich tun kann, um dein Weltbild auf den Kopf zu stellen.“
„Bei dem Sexy-ness Part bist Du gut dabei.“
Auf dem Festivalgelände gibt es einen kleinen See und einen Bootsverleih. „Lass uns rudern gehen“, sagst du und lässt nicht locker. „Okay, aber du ruderst und du zahlst“, sage ich dann schließlich.
Der See ist zwar mitten im Geschehen, aber trotzdem fühlt es sich so an, als wären wir allein. Nach einer Zeit will ich auch rudern und ramme bei dem Versuch zu wenden ein anderes Boot. „Rechts vor links“, schreit ein Mädchen mit blauen Haarsträhnen zu uns rüber.
„Auf dem Wasser herrscht Anarchie!“, rufe ich und du lachst.
Du ziehst dir dein T-Shirt im Boot aus und läufst von da an oben ohne rum. Die Leute drehen sich nach uns um. „Geiler Body“, sagt ein Typ im Vorbeigehen zu dir und krault dein Ego unterm Kinn. Wir kommen an einem weißen Zelt vorbei, auf dem „Selbsterfahrung“ steht, drinnen gibt es verschiedene Stationen, bei denen man Aufgaben machen kann, Dinge ertasten, beschreiben oder anordnen. Auf einem Tisch liegen Kärtchen, die an rote Wollfäden geknüpft sind, auf denen „Mutter“, „Vater“, „PartnerIn“, „Bruder“, „Schwester“, „Gott“ und so weiter steht. Die sollen so angeordnet werden, dass die eigene Lebensrealität widergespiegelt wird. Wir sortieren sie, jeder für sich, auf zwei kleinen Holzplatten. Du legst das „Ich“-Kärtchen ins Zentrum und ordnest alle anderen darum herum an. Das „Gott“-Kärtchen legst du dann halb über deines und ich weiß, dass du das nur halb als Scherz meinst. Ich nehme uns zwei rote Wollfäden mit und knüpfe dir deinen ums Handgelenk. Als wir uns danach das nächste Mal sehen, trägst du ihn nicht mehr. „Ich hab ihn noch“, sagst du, als du meinen Blick bemerkst. Wir schlängeln uns durch die Menschenmasse, bis wir eine halbwegs freie Sicht auf die Bühne haben. Die letzte Band ist gut und macht Stimmung. Vor uns geht die Sonne tieforange unter, ich will dass du mich küsst und wende mich halb zu dir um. Du drehst mein Gesicht zu dir und küsst mich lange. Dann umarmst du mich von hinten und wir tanzen beide umschlungen zur Musik.
Wir liegen nebeneinander in der Hängematte auf einer fremden Dachterrasse, mein Kopf liegt auf deinem Arm. Du passt für den August auf die Wohnung und die Katzen von Bekannten auf. Es ist eine Sternschnuppennacht, nachdem wir ein paar Minuten in den Nachthimmel starren, sehen wir ganz viele. „Ich will ein Wochenende mit dir verbringen“, hast du gesagt und jetzt sind wir hier. Zeit mit dir ist immer so losgelöst von meinem Alltag. Wir verlassen die Wohnung nur für einen Nachtspaziergang. Als wir zurückkommen, drücke ich dich gegen die Wand und küsse dich, du lächelst. Und küsst mich zurück. Du liebst es zu spielen, aber du hasst es zu verlieren. Als ich dich dreimal nacheinander im Tischfußball besiege, schlägst du mit der flachen Hand hart auf den Tisch. Dann streckst du sie mir hin: „Gut gespielt.“ Am Sonntagabend sagst du: „Fahr noch nicht.“ Und ich bleibe. Du schneidest eine gelbe Melone auf und wir spielen bei Kerzenschein Scrabble. Am Montagmorgen musst du zur Arbeit, wir schlafen trotzdem miteinander, unser Schweiß vermischt sich, die Hochsommerluft strömt zum Fenster rein. Wir nehmen dieselbe Straßenbahn, ich fahre weiter zum Bahnhof, zum Abschied küsst du mich, kurz und schnell, deine Hand auf meiner nackten Schulter. „Wir sehen uns“, sagst du und steigst aus.
Nachdem wir zwei Wochenenden nacheinander miteinander verbracht haben, tauchst du wieder unter. Ich schreibe dir, will dich sehen, aber erst von dir hören, dass du mich auch sehen willst. Und schreibe dir, dass ich mir eine affirmative Ansage von dir wünsche. „‘Von meiner Seite aus geht es klar‘ ist doch eindeutig affirmativ, oder?“, antwortest du.
„Nö, das liest sich neutral bis egal“, schreibe ich.
„Nur, wenn man mich nicht lesen kann“, antwortest du.
Und ich finde, damit machst du es dir zu einfach.
Wir sehen uns dann nicht, beide unfähig den entscheidenden Schritt aufeinander zuzugehen. Vielleicht, wenn wir es dieses eine Mal geschafft hätten, vielleicht wäre es danach einfacher gewesen.
Jetzt ist es Herbst. Wir gehen schweigend nebeneinander durch den Wald. Es gäbe viel zu sagen. Zwischen uns gehen die letzten sieben Wochen, in denen wir beide Leben geführt haben, die nichts mit dem anderen zu tun haben. Der Wald lichtet sich, unter uns die Stadt im Oktoberdunst. Vor uns geht die Sonne hellrot unter und ich will dich küssen, aber dann tu ich es nicht. Als du später neben mir im Bett liegst, schreibe ich dir „Was sind wir?“ in Schnörkelschrift auf deinen nackten Rücken.
Ich wache morgens meistens vor dir auf und dann rücke ich etwas näher an dich ran, bis du noch schlaftrunken deinen Arm um mich legst. Und mich eng an dich ranziehst. Oder dich irgendwann auf mich rollst und beginnst mich zu küssen. Erst den Hals. Dann die Lippen.
Deine Küsse haben mich krank gemacht. Kusskrankheit, Pfeiffersches Drüsenfieber, infektiöse Mononukleose. Ich trage jetzt ein Virus mit mir herum, das ich nicht mehr loswerde.
Ich sage dir nichts. Diese Genugtuung, zu glauben, dass du nachhaltige Spuren in meinem Leben hinterlassen kannst, gönne ich dir nicht. Ich werde diese Krankheit überwinden und abschütteln, so wie dich. Vielleicht nicht in einem Monat. Aber in einem Jahr.
Von dir bleiben Erinnerungsbruchstücke.
Du hast dir auf einer Technikmesse Chips in deine Hände implantieren lassen, zwischen Daumen und Zeigefinger und ich versuche jedes Mal sie zu ertasten.
Am liebsten wärst du in der Zukunft geboren. Du bist fest überzeugt, dass dann alles besser wird, Krankheit und Alter nur Dinge sind, die es zu überwinden gilt.
Du willst Kinder, damit du dich in ihnen verewigen kannst. Damit du sie formen kannst.
Auf deinem IQ-Test hattest du 129 Punkte, ein Punkt mehr und du wärst hochbegabt.
„Dir kann ich das ja sagen, wir müssen uns ja nie wiedersehen“, sagst du und lachst.
„Du bist schon ein schönes Wesen“, sagst du.
„Du fickst gut“, sagst du, „Top zehn Prozent mindestens.“
Du magst es, wenn ich dich am Hals küsse. „Mehr“, sagst du, wenn ich dir zu sanft bin. Einmal beiße ich dich daraufhin richtig. Du hast jetzt rechts am Hals eine Narbe von mir. Das finde ich nicht nur als Metapher schön.
Nach etwa zwei Monaten höre ich auf, auf eine Nachricht von dir zu warten. Manchmal überlege ich, was ich dir schreiben würde. Was ich dir noch sagen wollen würde. Das meiste haben wir wohl schon gelebt. Nur dein Buch liegt noch immer ungelesen auf meinem Nachttisch neben dem Bett.
Vierter Platz (Publikumspreis): „Kleinstadtnostalgie
Über der Kleinstadt geht die Sonne auf. Ich schaue auf die Uhr, halb sechs. Maike ist natürlich eingeschlafen. Kurz überlege ich, sie aufzuwecken. Aber Maike kann jeden Tag vom Schuldach aus den Kleinstadtsonnenaufgang anschauen, sie muss es nicht heute tun. Also sage ich nichts, bleibe allein mit der Stille. In fünfeinhalb Stunden der Zug nach Frankfurt, in neun Stunden der Flug nach Brüssel. Ich reibe mir die Augen, in einer Woche der Japaner, in einem Monat der Ami, in zehn Jahren das nächste Klassentreffen, wo soll die Luft für das alles herkommen. Ich gebe der Müdigkeit nach, schließe langsam die Augen, lege mich eng neben Maike, höre sie atmen. Das mit uns, das bleibt.
—
Ich verzeih dir, sagt Maike und lächelt selig.
Was genau, frage ich, schaue weiter auf den heller werdenden Horizont, bald geht die Sonne auf.
Alles, sagt sie, mach dir keine Sorgen, Carla, wir leben noch ewig, merk dir das. Was sind da zehn Jahre dagegen, das mit uns, weißte, das bleibt.
Damit lässt sie sich langsam zurückgleiten, macht die Augen zu. Sicher wird sie einschlafen.
—
Wie spät ist es, fragt Maike, schwankt bedrohlich.
Keine Ahnung, vielleicht drei oder vier, sage ich.
Komm, lass rauf auf’s Dach!
Aufs Schuldach?
Komm schon, so wie früher. Oder haste Schiss?
Wir sind erwachsen, Maike, wir sind doch keine Kinder mehr.
Ihre Antwort ein Grinsen. Es ist Sommer, sicher ist wer auf dem Dach. Die Jugend von heute, vor zehn Jahren waren das wir, Wein in der Hand, Rot auf den Lippen, Handymusik. Wer sind wir jetzt, die Jugend von gestern? Wir klettern hoch, Sprosse um Sprosse.
—
Was glaubst du, was noch kommt, fragt Maike, hängt sich bei mir ein.
Was meinst du damit?
Na, was noch so wird. Aus dir, aus mir.
Ganz allgemein jetzt?
Nee, nicht allgemein. Konkret, Carla, ganz konkret! Was kommt in einem Jahr? Oder von mir aus in einem Monat, in einer Woche?
Der normale Wahnsinn, sage ich, fühle mich wie Mutter dabei, dunkelgrau.
Ich glaub nicht, dass du bei denen bleibst, also bei Exxon oder Ex On oder wie auch immer, sagt Maike, das bist doch nicht du.
Ich will sagen: Wir haben uns seit zehn Jahren nicht gesehen, Maike, zehn Jahre sind so lang und so viel ist passiert, woher willst du denn wissen, wer ich noch bin.
Keine Ahnung, sage ich stattdessen.
Also ich für meinen Teil, sagt Maike, ich will mal was erleben, vielleicht fahr ich weg, vielleicht mach ich ‘ne Weltreise irgendwann, ich könnte ja zu dir kommen, oder? Von Brüssel nach Südamerika oder so.
Sie bei Julián und mir in der Wohnung, eine Katastrophe, man müsste ihr Brüssel zeigen, diese Stadt ohne Seele, was soll man da herzeigen, und wann, weder Julián noch ich haben Zeit, nächste Woche kommt der japanische Premier, nächsten Monat der amerikanische Präsident, dann Wahlen in Spanien, gleich danach in Österreich, das Rad dreht sich weiter, und Maike hat keine Ahnung, ja, auf eine angenehme Weise hat sie keine Ahnung, dass es dieses Rad überhaupt gibt.
Könntest du, ja, sage ich.
Okay, sagt Maike leichtfüßig, deutet dann in die Dämmerung. Da ist die Schule, immer noch der gleiche graue Steinhaufen, krass, oder?
Wieso gehen wir zur Schule?
Nur so, kichert sie, wir machen ‘ne Nostalgietour, die verlorene Tochter kehrt nach zehn Jahren heim, Carla Solnitz, was hat Sie dazu bewogen, in die Niederungen Ihrer Jugend zurückzukehren, in die Wiege Ihres Erfolgs?
Sie streckt mir ein imaginäres Mikrofon hin, lacht. Je lustiger sie wird, desto stiller wird es in mir. Wenn ich geblieben oder aus Wien direkt hierher zurückgekommen wäre, wäre das hier dann mein Leben? Beschwipst mit Maike durch die Stadt geistern, sorgenlos, vollgepackt mit wilden Träumen?
Komm schon, sagt Maike, komm, mach mit!
Nee du, lass mal.
Na gut, sagt sie unbeeindruckt, lächelt mich von der Seite an, lässt das Mikrofon sinken. Hauptsache, du bist hier, Carla, und lässt mich nicht wieder allein.
Sie greift nach meiner Hand, ich umschließe sie automatisch. Vergilbte Bilder vor meinen Augen, Hand in Hand vom Dreimeterbrett springen, Maikes Lachen dabei, was würdest du tun, wenn du nur noch einen Tag zu leben hättest? Ein Zug an der Shisha, ich weiß es nicht, vielleicht eine Bank ausrauben und alles den Armen schenken oder eine Shishabar kaufen.
—
In der Industriehalle, die immer noch Club heißt, ist es stickig. Wir sind zu alt, ein Haufen altgewordener Kinder, alle anderen sind jung, die Mädchen tragen T-Shirts als Kleider, wir gehören nicht hierher, schon lange nicht mehr. Ich sollte rausgehen, ein Taxi rufen, in einem Hotel schlafen, das nicht Pension Hilde heißt. Ich sollte Julián anrufen oder ihm zumindest schreiben, dass alles gut ist, dass mich der Kleinstadtmob noch nicht gelyncht hat. Frau Solnitz, Sie werden zu drei Tagen Pranger verurteilt, weil Sie sich der Stadtflucht schuldig gemacht haben. Vergessen Sie nicht, Frau Solnitz, Sie sind nur eine Frau, die so tut, als könnte Sie sich ihrer Herkunft entziehen. Sie sind nur eine Frau, vergessen Sie das nicht.
Carla, schreit Maike.
Was, schreie ich zurück.
Ich hol was zu trinken!
Ich brauch nix, schreie ich, aber geh du nur!
Maike dreht sich um, verschwindet. Ich ziehe das Handy raus, natürlich kein Empfang. Der Remix jetzt auf voller Lautstärke, ein Mädchen wirft die Locken zurück, sicher ist sie nicht älter als fünfzehn, glänzender Lipgloss, waren wir auch so? Ich schaue auf die Cartier, halb drei, wie lange soll das noch gehen. Einer tippt mir auf die Schulter, auch zu alt, also auch vom Klassenfest. Leere statt einem Namen, schon wieder.
Carla?
Hey!
Ewig nicht gesehen, Mensch! Gut siehst du aus!
Ja, ich bin nicht oft hier, ich…
Das Schreien macht mich heiser, ich höre auf. Seine Hand auf meinem Schulterblatt, es ist zu warm hier, zu warm für diese Hand und dieses Kleid und überhaupt. Ich nicke ihm zu wie einem Vizepräsidenten aus einem afrikanischen Zwergstaat, gehe Richtung Ausgang. Draußen ist es kühler, aber immer noch schwül, Bilder von Kleinstadtsommern in meinem Kopf, wie alt waren wir, fünfzehn, sechzehn, alle Bilder im Doppelpack, Maike, wie sie neben mir im Klassenzimmer Grimassen schneidet, im Bus zum Schüleraustausch fährt, im Club tanzt. Verschwommene Fotoautomatenbilder, wir sind immer füreinander da, schwör‘s mir. Ernste Blicke, ich schwöre.
Ist scheiße drin, oder, sagt Maike auf einmal neben mir.
Ja, schon, sage ich, lass uns lieber woanders hingehen.
Gut, ich hab ’ne Idee, sagt sie, hakt sich unter, legt den Kopf an meine Schulter.
—
Maike setzt sich auf die Treppe vor der Brunnengasse 14, legt die Unterarme auf die Knie. Ein ähnliches Kleid hatte sie früher, blau mit Streifen. Wenn alles schief geht, werd ich Matrosin, Carla, das wär doch was für mich, so ganz frei, hat sie damals gesagt.
Es tut mir leid, sage ich.
Ach, was denn?
Ich will sagen: Die ganzen Jahre, Maike. Dass ich dich allein gelassen habe, hier in dieser Einöde. Ich hab‘s dir doch geschworen, Maike.
Dass ich so spät dran bin, sage ich stattdessen, muss schlucken.
Ach, sagt Maike und schaut mich auf einmal ganz direkt an, weißte, ich hab ja nicht mal gedacht, dass du kommst, Carla, echt jetzt. Ich hab dich gegoogelt, auf gut Glück, und dann hab ich den Mund nicht mehr zubekommen vor Staunen, und dann hab ich denen einfach geschrieben, Exxon oder Ex On oder wie man das sagt, so ‘ne dumme Idee, aber…
Quatsch, wieso eine dumme Idee, sage ich.
Brians Stimme am Telefon vor zwei Monaten: Carla, dear, there is an email from someone who claims to know you. Maike something. Do you know her?
Ich hoff, ich hab dir nicht irgendwas versaut, sagt Maike ganz ernst.
Ich will sagen: Es gibt nichts, was du versauen könntest, Maike, es ist sowieso schon alles versaut, wir können nichts mehr retten, wir schlittern nur noch den Abhang runter, wir alle, Deutschland, die EU, die Welt, und was uns unten erwartet, weiß niemand. Es gibt keinen Platz mehr für Utopien, für geheuchelte Solidarität mit der Umwelt oder den Armen, das ist alles vorbei, Maike. Es gibt kein Zurück, den Abhang kommen wir nicht mehr rauf, und jetzt heißt es jede Frau für sich, das musst du verstehen.
Mach dir keine Sorgen, sage ich stattdessen.
Stille, eine Weile lang. Brüssel ist so weit weg.
Wie geht’s dir denn, Maike, frage ich irgendwann, fange ihren Blick ein.
Gut geht’s mir, ich kann mich nicht beschweren, echt jetzt. Also ich… Das interessiert dich wahrscheinlich nicht, aber ich lass mich aufstellen, bei der Gemeinderatswahl, da freu ich mich drauf, aber ‘n bisschen Angst hab ich auch, weißte, das ist Neuland für mich, so was…
Für wen, frage ich.
SPD, sagt Carla leise, schaut auf ihre Arme.
Glückwunsch, sage ich, versuche mich im Lächeln.
Ich denke an Peter Steinmann und Jerome Rouilli und die ganzen anderen alten Typen von der Party of European Socialists. Rote Köpfe, keine Eier, sagt Julián. Kommen am Ende doch alle angekrochen, wenn ihnen noch der ein oder andere Hunderttausender fehlt. Erst große Reden schwingen und dann kuschen, das können sie wie keine andere Partei.
Du findest das sicher lächerlich, sagt Maike.
Quatsch, Maike, wieso soll das lächerlich sein.
Na, du bist ja in Brüssel, also, ich mein, da laufen doch alle Fäden zusammen, und du bist mittendrin, und ich mit meinem Gemeinderat vom Dorf, also… Das muss dir doch wie ein Witz vorkommen.
Nein, Maike, wenn es dir wichtig ist, ist es kein Witz, sage ich.
Aber sonst wäre es einer?
Ich will nicht lügen, sage also nichts. Wieder Stille zwischen uns. Oben macht jemand ein Fenster auf, schreit irgendwas raus. Ich schaue Maike an, wie sie an ihrem Kleidsaum nestelt, warum ist sie so nervös, sie hat hier doch die Karten in der Hand.
Maike, wieso…, setze ich an.
Erzähl mir was, unterbricht sie mich.
Was denn?
Einen Schwenk aus deinem Leben, Carla. Ich weiß ja gar nix mehr von dir, nur das, was auf Google kam…
Warum interessiert dich das denn?
Weil es dein Leben ist, Carla, und ich mehr wissen will als Google, verstehste?
Ich muss schlucken. Jeden Tag so viele Lügen, irgendwann muss Schluss sein.
Gut, also… Wo soll ich überhaupt anfangen?
Vor zehn Jahren, sagt Maike, nimmt die Arme von den Knien, sitzt ganz aufrecht da.
Ich… Maike, es tut mir so leid, wirklich.
Schon okay. Erzähl einfach, sagt sie, lächelt weich.
Gut, also… Erst bin ich nach Wien gegangen, das weißt du ja, und da bin ich an die Uni, Politik studieren, aber danach war die Luft raus, also… Ich wusste nicht, wohin, ich hatte so ein Gefühl, dass ich was schaffen könnte, was Sinnvolles, aber eigentlich hatte ich keine Ahnung.
Ich hole Luft. Bilder aus einer Zeit, die es nicht mehr gibt. Juni 2008 in Wien, ich sitze vor dem Professor und schweige, er redet. Er sagt, ich muss einen Master machen, eine Frau ohne Master, er lacht, was soll das werden, noch dazu sind Sie Deutsche, Frau Solnitz, bleiben Sie an der Universität, woanders wird das nichts.
Wieso eigentlich Wien, fragt Maike.
Ich… Ich musste mal weg, sage ich, weiche ihrem Blick aus.
Ist schon okay, Carla, wirklich, ist ja lange her.
Okay, sage ich leise, mein Blick kehrt zurück zu ihr.
Und dann, fragt sie, schaut mich offen an, neugierig.
Dann… Also zu der Zeit gab’s ein Stipendium von der Diplomatischen Akademie, damals haben die noch Deutsche genommen, also hab ich mich beworben und die haben mich genommen, einfach so.
Maike lächelt, schön sieht das aus. Ich räuspere mich.
Und dann war auch das Müll, sage ich.
Warum denn?
Weil mich da niemand ernst genommen hat, sage ich, klinge bitter.
Wie das?
Ich wollte was ändern, was machen, Maike, einfach irgendwas machen, aber das wollte niemand. Alle waren zufrieden mit dem Stillstand, das hat mich so fertig gemacht, ich kann’s dir gar nicht sagen.
Maike nickt. Noch mehr Bilder. Verschmierte Sektgläser, hohle Phrasen. We would like to sign, but you know we can’t unless the Prime Minister is on board, die Affäre mit dem Vizebotschafter, der Streit mitten auf der Prinz-Eugen-Straße, die Gewissheit: Wien und ich, das war’s.
Und dann hab ich Julián kennengelernt, sage ich, und der hat mich zu Exxon mitgenommen, also nach Brüssel.
Wer ist das?
Mein… Ich weiß nicht, Partner, Freund.
Dein Macker, sagt Maike, grinst.
Oder so, sage ich.
Und was machst du da so den ganzen Tag?
Ach, ich…
Ist auch egal, Carla. Hauptsache du bist zufrieden, also allgemein, mit deinem Leben, mein ich.
Ich sage nichts. Die Diplomatie hängt mir nach, wer schweigt, sagt weder ja noch nein. Dann reißt einer die Tür hinter uns auf, schreit laut in die Nacht, irgendwas von einem Club, seit wann hat die Kleinstadt einen Club. Maike steht auf, wir hängen uns an die torkelnde Masse an, ich schaue auf die Uhr, es ist eins.
—
Alles in dieser Kleinstadt ist aus Kopfsteinpflaster. Jeder Schritt in den hohen Schuhen könnte der letzte sein. Ich schaue am Haus hoch. Brunnengasse 14. Wo soll dieser Versammlungssaal sein?
Carla, fragt eine Stimme hinter mir.
Ähm… ja?
Leere statt einem Namen.
Sina, aus der B-Klasse, sagt die Frau.
Ah, Sina, ja, Mensch!
Ich hätte nicht kommen sollen. Warum bin ich so blöd.
Das hat ja wirklich niemand erwartet, dass du kommst, sagt Sina.
Ist ja auch lange her.
Naja, zehn Jahre eben, sagt sie, warst du schon drinnen?
Nee, gerade erst angekommen.
Na dann komm mal mit, sagt sie, grinst.
Ich gehe ihr hinterher eine Treppe hoch, stechender Putzmittelgeruch in der Nase. Dann macht sie die Tür auf, ich hole Luft. Sicher hundert Leute in dem Raum.
Carla ist da, sagt Sina in die Runde.
Die hundert Leute hören alle auf einen Schlag zu reden auf. Ich schwitze schrecklich unter dem Kleid.
Wo ist Maike, frage ich Sina schnell.
Ach, Maike, die ist sicher beim Buffet, die hat das ja alles fast allein organisiert, sagt sie, tätschelt mir die Schulter, das Grinsen ist weg.
Auf dem Weg zum Buffet knuffen mich Leute in die Schulter, rufen irgendwas, ich höre nichts, die Musik ist grausam laut. Dann endlich Maikes Lachen, das sich nicht geändert hat, nicht in den ganzen zehn Jahren. Vielleicht ist auch nur die Zeit stehengeblieben, die gleichen blonden Locken, die ihr ständig ins Gesicht fallen, die gleiche Geste, mit der sie sie nach hinten schmeißt.
Maike, rufe ich.
Sie hört mich nicht, natürlich nicht. Ich schaue sie an, sie schreit über den Buffettisch einem Typen mit Vollbart was zu, lacht, dann sieht sie mich.
Carla?!
Ja, ich bin’s, schreie ich.
Hektisch trocknet sie sich die Hände ab, ignoriert den Vollbarttyp, verschwindet links. Dann steht sie auf einmal vor mir, drückt mich an sich, riecht nach Maike, nach Minze und Schweiß und Alkohol.
Lass raus gehen, ruft sie mir ins Ohr.
Ich nicke, sie nimmt meine Hand, zieht mich mit. Als wären uns die Jahre nie dazwischengekommen. Als hätte ich nie ihre Anrufe blockiert, Emails gelöscht, SMS ignoriert. Als wüsste ich, warum.
—
Der Slip ist nach oben gerutscht, nach nur fünf Metern. Warum habe ich keinen Tanga angezogen? Aus Kleinstadtnostalgie? Ein Blick auf die Cartier, dreiundzwanzig Uhr, ich bin viel zu spät dran.
Warum machst du dir solche Sorgen, fragt Julián am Telefon.
Mach ich nicht.
Warum willst du da überhaupt unbedingt hin, das versteh ich nicht, so was passt doch gar nicht zu dir.
Keine Ahnung, aber es ist einfach Zeit, zehn Jahre ist das Abi jetzt her, ein ganzes Jahrzehnt, Julián.
Du kennst die doch alle nicht mehr.
Eben.
Ich habe ihm nichts von der Carla erzählt, die es nur noch auf Bildern gibt. Eine Carla, die ihre naiven Träume von einer besseren Welt aufeinandergestapelt hat. Nichts von dem blonden Mädchen neben dieser Carla auf all den Bildern. Nichts vom Doppelpack.
Ich bin jetzt da, Brunnengasse, sage ich.
Okay, wie du meinst, rauscht Juliáns Stimme durch das Handy, pass einfach auf dich auf und komm morgen heil zurück.
Mach ich.
Ich liebe dich, Carla.
Ich…
Es tutet.